BIG e.V. Hintergründe
Ziel der Arbeit von BIG war und ist es, in der Gesellschaft das Bewusstsein zu erzeugen, dass Gewalt gegen Frauen keine Privatsache ist, sondern geltendes Recht verletzt.
„Das Private ist politisch“
Dieser Slogan der Frauenbewegung gilt nirgends so sehr wie bei Häuslicher Gewalt: Das Verständnis von Familie als bürgerlichem Lebensraum, der vor staatlichen Zugriffen so weit wie möglich geschützt werden sollte, war für das Deutschland der Nachkriegszeit prägend. Gewalt innerhalb dieses Schutzraumes galt damit Privatsache und staatliche Einmischung unerwünscht.
Kein staatlich garantierter Schutz von Menschenrechtsverletzungen
Ziel der Arbeit von BIG war und ist es daher, in der Gesellschaft das Bewusstsein zu erzeugen, dass Gewalt gegen Frauen keine Privatsache ist, sondern geltendes Recht verletzt. Der staatlich garantierte Schutz der Privatsphäre muss dort enden, wo es um Straftaten und um Verstöße gegen das Grundgesetz und gegen die allgemeinen Menschenrechte geht.
Die Gesellschaft muss erkennen und bekennen, dass Gewalt gegen Frauen Unrecht ist. Daher gilt es, auf politischer Ebene wirksame Maßnahmen zur Gewaltbekämpfung zu entwickeln, die von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen in der Praxis angewendet werden.
Feministische Erfahrungswerte
Daran arbeiten wir seit 1993 und konnten dabei auf den Initiativen der deutschen und internationalen Frauenbewegung aufbauen, die das Problem bereits Anfang der 70er Jahre zum Thema machten. Vorbild und Modell für die Ziele und Wege, an denen sich BIG orientierte, war das Domestic Abuse Intervention Project (DAIP), das 1979 in Duluth/Minnesota, USA, gegründet wurde.
DAIP war mit seiner Arbeit und dem Prinzip des Zusammenwirkens von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen enorm erfolgreich: 15 Jahre nach Gründung des Projekts gaben 80 Prozent der Frauen, die die rechtlichen Möglichkeiten und Angebote von DAIP genutzt hatten, an, keine Häusliche Gewalt mehr zu erleben.
Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte
1995 nimmt BIG die Arbeit als Bundesmodellprojekt auf. Das Bundesfrauenministerium und die Berliner Senatsverwaltung für Frauen finanzieren das neue Vorhaben, das alle gesellschaftlichen Kräfte in die Bekämpfung Häuslicher Gewalt einbeziehen will. Das heißt, verschiedenste politische Entscheidungsträger*innen müssen für dieses Ziel gewonnen werden.
Der Runde Tisch
In allen Berliner Verwaltungen, die mit Häuslicher Gewalt konfrontiert sind, wirbt das BIG Team mit Erfolg bei den zuständigen Senator*innen dafür, je eine Expertin oder Experten für eine Zusammenarbeit zu entsenden. Darüber hinaus gelingt es, Vertreter*innen von Projekten und Einrichtungen aus allen relevanten Bereichen zu gewinnen. Ein erstes interdisziplinäres und institutionsübergreifendes Arbeitsgremium entsteht: Der sogenannte Runde Tisch.
An diesem Runden Tisch nehmen Vertreter*innen der Polizei, der Zivil- und Strafjustiz, der Jugendhilfe, der Ausländerbeauftragten sowie der Kinderschutzeinrichtungen und Frauenprojekte teil.
Die Prinzipien
- Kommunikation: Unter allen Beteiligten muss eine gemeinsame Wissens- und Gesprächsbasis hergestellt werden.
- Kooperation: Für alle Beteiligten ist eine geeignete Kooperationsform und -kultur zu entwickeln.
- Komplexität: Allen Beteiligten muss klar sein, wie komplex das Problem Häusliche Gewalt ist und wie entsprechend komplex die Lösungsansätze sein müssen.
- Konzeptionierung: Alle Beteiligten müssen gemeinsam ein Arbeits- und Umsetzungskonzept für die Hauptphase erarbeiten.
- Konsens: Über das Konzept muss zwischen allen Beteiligten Einigung erzielt werden.
- „top down, bottom up“: „Von oben nach unten und von unten nach oben“ – für tiefgreifende Veränderungen ist die Entscheidungskompetenz auf hoher politischer Ebene ebenso unerlässlich wie das Expert*innenwissen der Basis. Am Runden Tisch, an dem die politischen Beschlüsse gefasst werden, treffen sich beide Ebenen.
Analyse der Strukturen
Die Mitglieder des Runden Tisches analysieren die bisherige Lage und untersuchen die bestehenden Interventionsmaßnahmen und Hilfsangebote bei Häuslicher Gewalt auf Schwachstellen. Auf Grundlage dieser Bestandsaufnahme bestimmen sie sieben Schwerpunktbereiche als Arbeitsfelder:
- Polizeiliche Intervention
- Strafrecht
- Zivilrecht
- Unterstützung von Betroffenen
- Migrantinnen
- Lern- und Trainingskurse für Täter
- Kinder und Jugendliche
Diese Arbeitsfelder bilden noch heute die Grundlage der Tätigkeitsgebiete der verschiedenen Einrichtungen bei BIG.